Saisonabschluss beim Berlin Marathon

Ein Moment, der mir wohl noch lange im Gedächtnis bleiben wird, ist der, in dem ich durch das Burgtor in Lübeck laufe und mir bewusst wird, dass ich das erste Mal einen Marathon unter 3 Stunden ins Ziel bringen würde. Wie mich das mit Stolz erfüllte, ein toller Moment. Das Ganze ist mittlerweile fast 12 Jahre her. Anderthalb Jahre später folgte der erste Marathon unter 2h50 und zweieinhalb Jahre danach, 2015 in Bremen, der erste unter 2h40. Nachdem mir in diesem April ein Halbmarathon unter 70 Minuten gelungen ist, sollte nun also endlich die letzte mir mögliche magische Marke fallen: Die 2h30 im Marathon. Da für mich im Frühjahr kein Marathon in Frage kam, wartete ich gespannt auf den vermutlich schnellsten Marathon der Welt: Der prestigeträchtige Berlin Marathon. Für einen Startplatz in Berlin muss man eigentlich den Weg über einen Reiseveranstalter gehen oder auf sein Losglück hoffen. Wie bei meinem ersten Start in Berlin (2016) konnte ich allerdings einen garantierten Startplatz erbitten, da ich ein relativ aktuelles Marathon-Finish unter 2h45 vorweisen konnte (in diesem Fall eine 2h32 aus Lübeck 2021). 2016 beendete ich die Saison in Berlin als Gesamt-373. beziehungsweise 111. meiner Altersklasse (zu jener Zeit 30-34) mit einer Zeit von 2:43:36. Es sollte also mein zweiter Start beim Berlin Marathon werden, zudem mein 15. Marathon insgesamt.

Die Vorbereitung verlief sehr gut. Es war mit Sicherheit kein langer spezifischer Aufbau, da die Triathlonsaison für mich erst 3 Wochen vorm Marathon endete. Jedoch konnte ich auf die bestehende Grundfitness gut aufbauen und probierte es mit einem fließenden Übergang. Das heißt, dass ich bereits in der zweiten Augustwoche den Schwerpunkt aufs Laufen setzte. Diese und die folgenden 3 Wochen endeten jeweils noch mit einem (Triathlon-)Wettkampf, jedoch hab ich jeweils etwas über 100 Laufkilometer sammeln können. In den beiden darauffolgenden, wettkampffreien Wochen konnte ich mich dann nochmal voll aufs Laufen konzentrieren. Hier wurden es dann sogar insgesamt 300 Kilometer in 14 Tagen mit einigen Intenstitäten. Hier hab ich dann auch nochmal im Rahmen eines Parkruns meine Form überprüfen können und das  mit Erfolg: 5 km in 15:53 aus dem Training - Das gibt Zuversicht! Schließlich kam die Wettkampfwoche: Reduzierter Trainingsumfang, so gut wie kein Koffein bis zum Wettkampftag, bestmögliche Vermeidung von Stress und sehr guter Schlaf in den letzten Tagen, Freitag 800g Kohlenhydrate, Samstag nur leicht verdauliches. Die Wettervorhersage war zudem für alle Teilnehmer, die auf Bestzeitjagd gehen wollten, ideal: Trockenheit, ideale Temperatur und kaum Wind waren angesagt.

Am 24. September 2023 klingelt mein Wecker um 6 Uhr. Die nächsten 3 Stunden sind Routine. Hirsebrei, kalte Dusche, Kaffee fertig machen, Ruhe. Um halb 8 geht es mit dem Zug nach Berlin. Um 8:15, eine Stunde vorm Start, ein starker Robusta-Kaffee, einlaufen, Toilette und ab zum Start. Dummerweise war vor jedem Dixi-Klo eine scheinbar unendlich lange Warteschlange, ich verzichte also auf den vorletzten Punkt, wird schon schiefgehen. Letzten Endes trotte ich also zum Startbereich und lass mich von einer Menschenmasse zum Startblock A treiben bis ich mich kaum noch bewegen kann. Ich habe es dorthin geschafft, wo ich in etwa starten möchte, jetzt nur noch 40 Minuten warten. Dann, um 9:15 Uhr der Startschuss. Die erste Startwelle des knapp 48000 Teilnehmer großen Starterfeldes setzt sich auf der Straße des 17. Juni in Bewegung. Zunächst die Elite, zwölf Sekunden später überschreite auch ich die Startlinie. Ich suche mir meine Bahn durch das noch recht dichte Feld, rechts an der Siegessäule vorbei. Erster Kilometer in 3:26, passt! Ich finde meinen Rhythmus, zweiter Kilometer auch in 3:26. Nach 3 Kilometern treff ich auf Steffen Uliczka, der als Tempomacher für Laura Hottenrott unterwegs ist, die heute eine der deutschen Frauen ist, die auf Olympianorm laufen. Ich frage Steffen, was geplant sei und geselle mich kurz zu der Gruppe dazu. Etwas später, wenige Schritte voraus, ist eine Gruppe um die nächste deutsche Frau, Debbie Schöneborn, mit ihren Tempomachern Johannes Motschmann und Benjamin Franke zu sehen. Ich sortiere mich dort ein und laufe mit. Einfach mitschwimmen, denke ich, Kräfte sparen, der Marathon ist ja noch lang.

Es dauert nicht lange, und die Gruppe hat sich zu einer angenehmen Größe dezimiert. Ich stelle fest, dass ich hier der einzige bin, der mit einem normalen Laufshirt unterwegs ist. Um mich herum nur noch ärmellose, ambitionierte Läufer, mit denen ich die ersten 10 km in 34:26 durchlaufe. Was soll man auch erwarten? Um es mit den Worten von Faris al Sultan zu sagen: "Die andern sind ja auch keine Schlümpfe." Als ich mich umschau, erblicke ich die Schweizer Rekordhalterin, Fabienne Schlumpf. Ausnahmen bestätigen die Regel. Nach 11 Kilometer scheint die Sonne dann auch mal zwischen den Wolken hindurch. Ich freu mich, bin entspannt. Ich habe zwei Gels dabei. Wie geplant vernasch ich das erste nach 12 Kilometern. So vergeht Kilometer um Kilometer in einem konstanten Tempo, immer knapp unter 3:30. Unsere Gruppe überholt irgendwann die zweite deutsche Frau, Kristina Hendel, die kurz darauf aufgibt. Schon spannend, aus nächster Nähe mitverfolgen zu können, wie sich das interne Rennen, um die Chancen auf die Olympia-Startplätze entwickelt. Wie zu Hause auf der Couch vorm TV, nur besser... und ein bisschen anstrengender. Den Halbmarathon-Punkt erreichen wir nach 1:12:44. Für mich ein wenig schneller als geplant, aber alles im Rahmen. Interessanterweise war das nun der drittschnellste Halbmarathon meines Lebens. Andererseits bin ich in den letzten 3 Jahren eben auch nur 2 Halbmarathons gelaufen. Weiter geht's!

Die anfangs noch so große Gruppe wird immer kleiner und distinkter. Nach 24 Kilometern nehme ich mein zweites Gel. Der 27. Kilometer ist mein erster Rennkilometer, für den ich etwas länger als 3:30 brauche. Ich weiß aber auch, dass es hier ganz leicht, aber durchgehend bergan geht. Trotzdem verliere auch ich dann allmählich den direkten Kontakt zum Grüppchen um Debbie Schöneborn. Wenn es bereits jetzt zu hart werden sollte, dranzubleiben, dann ist es eben so. Der Weg ist noch zu weit, um sich jetzt schon zu verausgaben. Nach gut 27 Kilometern werden neue Gels verteilt, ich nehme mir für den restlichen Weg nochmal zwei mit. Kilometer 28 lege ich nur noch in 3:36 zurück, weiß aber auch, dass der höchste Punkt der (insgesamt sehr flachen) Strecke erreicht ist. Mit etwas Feingefühl trau ich mich dann doch wieder an das Grüppchen heranzulaufen. Nach 1:43:51 sind 30 Kilometer geschafft, ich bin wieder in der Gruppe und nehme mein drittes Gel. Besser konnte es doch bis hierhin kaum laufen, oder?

12,2 km oder, wenn es gut läuft, etwas weniger als eine dreiviertel Stunde liegen noch vor uns. Zugegebenermaßen werden meine Beine allmählich schwer, aber die Stimmung an der Strecke ist fabelhaft und hier und da blicke ich nun auch in bekannte Gesichter. Das motiviert, und das war ab hier auch wirklich nötig - danke euch! Bis zum 35. Kilometer einschließlich gingen die 5-km-Abschnitte alle im mittleren 17-Minuten-Bereich weg, aber ab jetzt sollte es etwas zäher werden. Der Marathon zeigt sein wahres Gesicht. Zu meinem Glück, geht es nicht nur mir so. Das heißt, obwohl ich langsam Tempo einbüße, bleibe ich weiterhin in meiner Gruppe, die mittlerweile nur noch aus 5 Leuten inklusive einem Pacer besteht. Kilometer 35 ist für mich nun auch der letzte unter 3:30. Der folgende 5-km-Abschnitt geht in 18-glatt weg. Ist noch im Rahmen, aber das Ziel könnte nun auch bald mal kommen, die Renndauer beträgt nach 40 km bereits 2:19:24.

Bei etwa jedem zwölften Schritt deutet sich ein Wadenkrampf an, mal links, mal rechts, aber den Oberschenkeln geht es auch nicht viel besser. Meine Beine fühlen sich so an, wie sich Debbie anhört (sie ist offensichtlich am leiden, zeigt Kampfgeist). Endlich erscheint das Brandenburger Tor in der Ferne. Wir befinden uns unter den Linden, auf der Zielgeraden. Nach 2:27:21 komme ich als 149. Mann und 17.-schnellster Deutscher des diesjährigen Berlin Marathons ins Ziel! Erstmal stehen bleiben, Sacken lassen, freuen, Glückwünsche mit anderen Teilnehmern austauschen, weiterfreuen. Die Zufriedenheit und der Stolz über dieses Rennen wird wohl noch ein Weilchen anhalten. Ich kann einfach nur dankbar sein, nicht nur für den Saisonabschluss sondern auch für eine komplette Saison mit ganz besonderen Momenten, vielen Höhen, ohne Tiefen.

 

Ergebnisliste

Mein Ergebnis-Sheet

Datenaufzeichnung

 

Vielen Dank!!

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