Die Form vor, das Material in und die physikalischen Grundlagen für Nizza

Die Regionalligasaison 2019 ist passé! Mit dem TSV Bargteheide konnten wir unseren zufriedenstellenden fünften Platz im stark besetzten Aufgebot der TRLN (Triathlon Regionalliga Nord) wiederholen. Wie auch vorletztes und letztes Jahr war es mir eine große Ehre im orangenen Dress der Bargteheider zu starten und vor allem: Es hat einen riesen Spaß gemacht!

Der finale Wettkampf der Saison in Bad Zwischenahn nahe Oldenburg wurde an zwei Tagen ausgetragen: Am Samstag Abend fand ein Swim & Run statt, bei dem alle männlichen Starter der Regionalliga gleichzeitig 500 Meter Schwimmen in Angriff nahmen und anschließend jeder "für sich" 3 km zu laufen hatte. Die Zeiten der ersten vier Teilnehmer eines jeden Teams wurden zusammenaddiert und als Grundlage für die Startreihenfolge und Zeitabstände für den Teamsprint (750 m / 27 km / 5,6 km - alles gemeinsam im Team) am Sonntag genommen. Samstag Abend lagen wir auf Platz 5, am Sonntag dann auf Platz 7 und am Ende der Saison wie gesagt auf Platz 5. Ein guter Indikator für die individuelle aktuelle (Schwimm- und Lauf-)Form ist dabei der Individualwettkampf - der S&R am Samstagabend... und hier lass ich mal Zahlen sprechen: 68.(!!) Schwimmzeit, schnellste Laufzeit - viel mehr ist dem wohl nicht hinzufügen. Die Radform scheint irgendwo dazwischen zu sein.

Nun sind es noch 8 Tage bis zur Ironman 70.3 WM in Nizza. Als Agegrouper (offizielle Wertungen erfolgen nur innerhalb der Altersklasse) finde ich mich als einer von circa 500 anderen M30ern in der Startliste wieder. Für mich geht es in erster Linie um den Spaß und das dabei sein (ja wirklich!^^), aber ich werde natürlich alles geben und versuche zumindest in der vorderen Hälfte zu landen. Über das Wettkampfmaterial vor allem auf dem Rad habe ich mir lange Zeit Gedanken gemacht und erst kürzlich die entscheidende Frage beantworten können: Rennrad oder Zeitfahrrad?

Heute habe ich nochmal alles nachgewogen und mit den Laufrädern die ich jeweils im Wettkampf verwenden würde, käme ich mit dem Rennrad auf insgesamt circa. 1,5 kg weniger als mit dem Zeitfahrrad dessen Vorteil offensichtlich in der Aerodynamik liegt, aber auch nachteilig bezüglich der Biomechanik ist. Soll heißen: Es ist (für mich) wesentlich anstrengender dieselbe Leistung (im physikalischen Sinne) aufs Pedal zu bringen, wenn ich auf dem Zeitfahrrad, welches für eine "aggressivere" Sitzposition ausgerichtet ist, liege ("Aeroposition"), sitze oder "stehe" (Wiegetritt). Nun, was überwiegt auf unter den Gegebenheiten, wie sie in Nizza vorhanden sind?

Dafür betrachten wir den Anstieg von 630 Höhenmetern auf 9,69 km Länge. Damit beträgt die durchschnittliche Steigung 6,5%. Nun ist aus der Schule bekannt, dass die Hubarbeit sich durch W = mgh berechnen lässt. Die Aufzubringende Leistung in der Zeit im zeitlichen Differenzial beträgt P(t) = dW/dt. Nehmen wir an, die Masse m sei konstant (In meinem Fall mit dem Rennrad, allem was an Kleidung und Zubehör dazugehört und mir 78 kg), die Erdbeschleunigung g ebenfalls (ist sie streng genommen natürlich nicht, aber das sei vernachlässigbar) mit 9,81 m/s². Dann lässt sich die Steigleistung ganz leicht durch P = mg(dh/dt) berechnen, wobei dh/dt die Höhenzunahme pro Zeit ist. Diese lässt sich ebenso leicht ermitteln: dh/dt = Geschwindigkeit mal Steigung. Okay, gehen wir davon aus, dass wir uns bei 6,5% Steigung mit 18 kmh (= 5 m/s) fortbewegen. Alles in allem wären wir dann bei 249 W plus Verluste durch Roll- und Windwiderstand, welche aber bei 18 kmh wesentlich geringer sind. Nun, was ist der Punkt? Mit dem Setup, das ich sonst bei Windschattenverbotsrennen dabei habe müsste ich allein durch die Steigleistung ca. 5 W (1.5 kg mehr) zusätzlich investieren.

Noch ein kleiner Exkurs in die Frage, warum das Gewicht überhaupt wichtig ist, denn: Wie wir ebenfalls aus der Schule wissen, ist die Hubarbeit (das Integral der Steigleistung) effektiv null, wenn wir auf gleicher Höhe enden, wie wir begonnen haben. Dementsprechend müsste man den Zeitverlust bergab durch das höhere Gewicht ja wieder gut machen - denkste! Denn bei hohen Geschwindigkeiten sind wir durch den Luftwiderstand limitiert, der quadratisch mit der relativen Geschwindigkeit (Fahrer zu Luft/Wind) zunimmt, während der Steig-/Sinkwiderstand sowie der Rollwiderstand konstant ist. Für die Leistung (ausgehend vom Widerstand) wird aus konstant linear und aus quadratisch sogar kubisch (doppelte Geschwindigkeit => 8-fache Verlustleistung). Diese sehr theoretische Überlegung berücksichtigt aber eines nicht, wobei wir wieder bei Nizza wären: Die Abfahrt in Nizza ist kurvig und technisch und das bedeutet, dass wir nicht nur durch die Luftreibung geschwindigkeitstechnisch limitiert sind sondern vor allem durch den Selbsterhaltungstrieb (niemand will bei über 70 kmh oder überhaupt stürzen) und durch unsere fahrtechnischen Möglichkeiten. Diese sind außerdem maßgeblich von der (in meinem Fall gänzlich fehlende) praktische Streckenkenntnis abhängig. Die technischen Fähigkeiten sind in aller Regel auf dem Rennrad besser, da es einfacher zu kontrollieren ist. Mit anderen Worten gehe ich davon aus, dass ich mit dem Rennrad in der Abfahrt besser zurecht komme. Damit kommen wir wieder zur angenehmeren Sitzposition, die auch bergauf schätzungsweise im Bereich von 20-30 W mehr "verfügbare" Leistung bei gleicher Anstrengung liegen sollten (ok, das ist mehr Spekulation, fußt aber auf Erfahrungswerten). Die oben genannten 5 W gibts kostenlos on Top.

Einen klaren Nachteil auf dem Rennrad hat man lediglich auf den ersten gut 10 und letzten gut 15 km, die einfach nur flach und geradeaus sind. Es überwiegen allerdings die ca. 65 anspruchsvolleren für mich. Für diese hat mir ein Vereinskamerad allerdings einen Aeroaufsatz zur Verfügung gestellt, die diesen Nachteil in Grenzen hält. Vielen Dank!

Was die Übersetzung angeht, habe ich mir im Vorfeld zum Ironman 70.3 St. Pölten, wo ich mich qualifiziert habe, keine Gedanken gemacht und es bitter bereut! Mit dem kleinsten 39/23 als kleinsten Gang wurde der größte Anstieg zur Tortur. Nun habe ich an mein Wettkampfrad eine 11-28 Kassette montiert. Bei einem Radumfang von 2133 mm macht das bei einer Geschwindigkeit von 18 kmh und der kleinsten Übersetzung (39/28) eine bequeme Trittfrequenz von 101 rpm (v = Radumfang*Übersetzung*Kadenz). 16 kmh (wenn die Anstiege steiler oder die Beine dicker werden) sind dann noch mit 90 rpm zu treten und zur ultimativen Wohlfühlgrenze von 60 rpm ist noch reichlich Luft. Die Angst davor, dass mir die Gänge ausgehen ist damit schon mal im Vorfeld besiegt! Gleichzeitig ist mit 53/11 als gößte Übersetzung auch auf den schnellsten Passagen Spaß garantiert. Alle, die es interessiert, ob mein Plan aufgeht: Das Rennen ist live im Tracker auf ironman.com oder per Ironman App zu verfolgen. Mein Start ist nächsten Sonntag um 7:57 Uhr. Bis dann ^^v

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