Ironman Hamburg 2018 - Kona Baby!

"Jan, hör mir gut zu, du hast noch 2 Minuten Vorsprung auf 4". Diese Information nehme ich irgendwo zwischen benebelt und hoch fokussiert war. Noch 2 Kilometer bis zur Finishline, einfach nur laufen, fang bloß nicht an zu gehen, bloß nicht gehen, einfach laufen. Wie in aller Welt bin ich nur in diese verzwickte Situation geraten?

 

Der Tag beginnt ganz entspannt um 3 Uhr... nachts. Wie immer wird die Routine abgespult: Erst Herd an, der gefühlt 10 Minuten braucht um warm zu werden, dann Haferflocken mit Hafermilch, Zimt und einer halben pürierten Banane mischen, das ganze mit ein paar frisch gerösteten Nüssen, einem halben gewürfelten angebratenen Apfel und Datteln toppen. Dazu ein schwarzer Kaffee aufgebrüht mit frisch gemahlenen Bohnen - Absolut obligatorisch, der eine oder andere wird wissen warum. Ehe ich mich versehe, befinde ich mich knapp 60 Kilometer weiter südwestlich am Jungfernstieg.

 

Der heutige Ironman soll, wie vor 2 Tagen bekanntgegeben wurde, als Duathlon ausgetragen werden. Grund dafür war durch die für nordische Verhältnisse enorme und lang andauernde Hitze, die der Blaualgenpopulation besonders zugesagt hat. Wie auch immer: 6 km laufen statt 3,8 km schwimmen, bevor es wie gewohnt weiter geht. Schade, aber für mich persönlich könnt's schlimmeres geben.

Bei meinem letzten Gang auf die Toilette begegne ich noch Will Clarke, Michael Raelert und Tim Don. Völlig überwältigt von dieser Begegnung begebe ich mich wie so oft viel zu spät an die Startlinie, schaff es aber doch irgendwie mich in die siebte Reihe (+/- 2) der Amateure vor zu drängeln und warte auf den Startschuss um 7:10 Uhr.

Die Devise lautet flott loslaufen und schnell wechseln, um am Anfang des Radelns bereits in guter Position zu liegen, so weit eigentlich ganz simpel. Nach gut 22 Minuten erreiche ich die erste Wechselzone, der Wechsel hätte besser sein können, aber naja, der Tag ist ja noch lang. Quasi zeitgleich oder kurz vor ihm gehe ich mich Corni auf die Radstrecke.

Nach etwa einem gefahrenen Kilometer zieht ein Meteor mit orangem Helm an mir vorbei, aus dem sowas ertönt wie "Mein Wattmesser..." ich begreife, es handelt sich um Corni und als er mitsamt Rad als kleiner Punkt am Horizont verschwindet, vernehme ich noch aus der Ferne "... ist kaputt". Gute Reise, lieber Meteor! Ich versuche mich an meine Vorgaben zu halten, stelle fest dass das relativ gut geht, da insgesamt doch recht fair gefahren wird und das Feld vorn bei den Amateuren noch nicht allzu dicht ist. Eine kleine Lektion à la 'Stell dich 5 Minuten in die Ecke und denk darüber nach was du getan hast' aus Frankfurt 2017 lehrte mich: Bilden sich auf dem Rad Gruppen, dann hüte dich ja davor da einfach mitzufahren. Was gut funktioniert ist ganz hinten ran hängen und 15-20 Meter Abstand halten. Alles andere ist mit Stress und Risiko verbunden. Kurz darauf in einer solchen Situation, in der ich von einem gebündelten Dutzend Triathleten ein- und überholt werde, bekommt der Athlet vor mir (der vorletzte in der Gruppe) eine 5-Minuten-Zeitstrafe für zu dichtes auffahren - So schnell kann's gehen. Das besagte Grüppchen ist derweil am Horizont verschwunden und jagt weiteren Meteoren hinterher, während ich wieder unbeirrt mein "eigenes" Rennen fortsetzen kann.

Am Ende der ersten Radrunde geht es wieder in die Stadt hinein, wo am Ende des (Wallring-)Tunnels bei bestem Wetter eine ungeahnte Zuschauermenge uns zujubelt. Verdammt, macht das Spaß heut!! Die ersten 90 km vergehen für mich in knapp 2:20 h, womit bereits über die Hälfte des Radparts geschafft ist. Die Zeit vergeht wie im Fluge. Ein paar Pedalumdrehungen und Wasserflaschen später hab dann auch schon 178 km und 38.0 kmh auf meinem Tacho stehen, und nun? First things first: Erstmal hab ich mir eine Toilettenpause in der T2 verdient.

Das tat gut! 3 Kilo leichter geht's in die Laufschuhe. Der erste Kilometer in 3:39. Eine schnelle Hochrechnung, die mein zu diesem Zeitpunkt leicht benebelter Verstand austüftelt, ergibt irgendwas zwischen Weltrekord und immer noch deutlich zu schnell.

Auf der restlichen Laufrunde, bitte ich Freunde und Bekannte an der Strecke so freundlich wie es mir noch möglich ist um Infos zur aktuellen Altersklassen-platzierung und Zeitabständen. An dieser Stelle: Sorry, wenn es hier und da etwas forsch klang! ^^

Irgendwann pendelt sich mein Lauftempo dann doch in einem angemessenen Bereich ein. Vielleicht weil mir durch die Blume gesagt wurde, dass ich doch bitte das Tempo drosseln mag, wenn ich aufrecht das Ziel erreichen will, wahrscheinlich aber, weil die Beine nun schon nicht mehr her geben.

Die vielen Informanten an der Strecke sorgen dafür, dass das nervliche Wrack, das ich zu werden drohe nicht komplett auseinander fällt und immer noch ein paar Plätze gut mache. Irgendwann heißt es dann auf einmal: "Jan, du bist an 3" ... und der Abstand auf 4 scheint sogar zu wachsen. 5 km vorm Ziel bekomme ich nochmal die Info "6 Minuten auf 4" - Was kann jetzt noch schief gehen? Ich freue mich jetzt bereits wie Bolle und klatsche Stefan, der mir diese Info gab, ab. Im weiteren Rennverlauf versuche ich nicht zu sentimental zu werden, auch wenn ich das sprichwörtliche Messer zwischen den Zähnen schon längst irgendwo auf der Strecke hab liegen lassen. Egal, ich denk schon über eine Choreografie auf der Zielgerade nach, als Henning vor mir erscheint, womit wir wieder am Anfang der Geschichte sind.

Aus 6 Minuten Vorsprung sind also vom einen Moment auf den anderen 2 geworden. Offensichtlich hat da noch ein Kollege das Feld zum Ende des Marathons nochmal ordentlich von hinten aufgerollt. Meine Beine werden taub, was es schwerer und schwerer macht, die Fortbewegungsart noch bis zum Zielstrich laufähnlich zu gestalten. Die letzten Kilometersplits liegen deutlich über 5 Minuten, glücklicherweise erscheint dann endlich das Ziel vor mir.
Im Ziel gratuliert mir als erster Simon und macht nochmal ein bisschen Panik, damit es ja spannend bleibt: Der vierte könne mich noch überholen, da er später gestartet sei. Am Ende trennen mich dann nur noch knapp 30 Sekunden vom vierten Platz - Glück gehabt! Spannung bis zum letzten Meter und sogar darüber hinaus! Und nun das aller, aller wichtigste:

 

Vielen lieben Dank an euch: Angel, Benni, Christina, Corni, Detlev, Ecki, Fiete, Finn, Gabi, Henning, Jaspar, Kai, Malte, Sebastian P. Sebastian S., Stefan, Stina, Udo, den Tri-Sport Lübeck und der Triathlonsparte des TSV Bargteheide! Ihr alle habt mir mehr geholfen als ihr es euch vorstellen könnt! Nicht verschweigen möchte ich, dass das längst nicht alle Leute waren, denen ich danken möchte - Ein Dank geht auch raus an alle, die in irgendeiner Form mitgefiebert, mitgekämpft oder mir nette Worte im Nachgang übersendet haben. Merci!^^
Zu guter letzt ganz besonderen Dank an euch, Daniel W., Simon und Yvonne! Das werde ich euch nie vergessen!

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