Ironman Germany 2017

Für das Saisonhighlight dieses Jahres am Sonntag den 9. Juli stehe ich um 3:30 Uhr auf um mein Frühstück, Haferbrei mit pürierter Banane, 3 Stunden vor dem Start einzunehmen. Untergekommen bin ich in Rodgau, bei einem damaligen Schulfreund, dessen Gastfreundschaft mir Obdach für die Zeit in der Nähe von Frankfurt ermöglicht. Es ist noch dunkel, ich bin noch müde, dennoch bin ich guter Dinge, das dieser Tag ein besonders schöner werden könnte. Auch in dieser Saison habe ich mich gewissenhaft auf diesen Wettkampf vorbereitet, so liegen jede Menge Radausfahrten über 100 km und eine Menge Laufeinheiten über 20 km hinter mir. Auch beim Schwimmen war ich zuversichtlich, dass ich im Falle von Neofreigabe unter eine Stunde schwimmen könnte. Allerdings verlief die langfristige Vorbereitung alles andere als perfekt. Ich habe recht planmäßig und eifrig trainiert, aber mit Plan zu trainieren, heißt leider nicht, dass sich ein Erfolg einstellt. Teilziele, wie im Winter einmal eine Stadionrunde unter 60 Sekunden zu laufen - verfehlt, im Frühling eine 10 Kilometerbestzeit laufen - weit verfehlt, mich an die 5-Minuten-Marke über 400-Meter-Freistil-Schwimmen rantasten - gescheitert. Lediglich im Radfahren konnten ein paar Fortschritte gemacht werden, allerdings auch keine riesen Sprünge. Nun ja, dennoch ist das Ziel für den entscheidenden Tag ganz klar definiert: Einen Slot für die Ironman WM in Hawaii ergattern.

Der Startschuss für die ersten Amateure fällt um 6:40 Uhr. Nach und nach geht das Feld in einem rollenden Start in den warmen Langener Waldsee. Die Wassertemperatur liegt angeblich bei etwas über 24°C - Der "Kälteschutz" ist also gestattet. Der Weg zum ersten Teilziel für heute beginnt für mich circa 3 Minuten nach dem Start der ersten Amateure. Das Wasser ist gefühlt wärmer als in der Badewanne und etwas trüb - Die Sichtweite liegt bei um und bei einem halben Meter, die Füße des Vordermanns sind also kaum zu erkennen. Nicht weiter wild, denn zumindest was die Orientierung angeht, ist der Schwimmkurs minimal kompliziert. Ein 1,5 km langer Rechteckkurs, ein kurzer Landgang ("Australien Exit"), gefolgt von einem 2,3 km langen Dreieckskurs. Die Zwischenzeit beim Landgang: Etwas über 24 Minuten - Bereits eine Minuten hinterm Zeitplan... nicht gut. Egal, konzentrieren, wieder zurück ins warme Nass, weitermachen. Somit erreiche ich das Ende der insgesamt 3,8 km langen Schwimmstrecke nach 59:17 min. Mit einer Zeit unter 1 h bin ich dann doch recht zufrieden.

In der Wechselzone angekommen suche ich mein Rad, finde es fast (ein paar Sekündchen verstreichen leider schon^^) auf Anhieb und bewege das Rad und mich in Richtung Wechselzonenausgang. Jetzt wird rasiert! Die ersten knapp 20 km führen über eine Bundesstraße vom Langener Waldsee, im Süden Frankfurts in die Frankfurter City, so weit eine flache Strecke, leichter Rückenwind und guter Asphalt. Langsam aber sicher pegeln sich die Werte (Leistung, Herzfrequenz, Trittfrequenz) auf den Zielbereich ein. Die ersten 20 km vergehen buchstäblich wie im Flug - Keine 30 Minuten sind vorbei, also bis hier hin im Schnitt über 40 kmh - wunderbar! Es folgt der erste von 3 Anstiegen pro Runde, nicht überzocken lautet die Devise, der Tag ist noch lang. Oben angekommen wird man mit technisch einfachen Abfahrten belohnt, wo man eine Menge der in den Anstiegen "verlorenen" Zeit wieder herausfahren kann, wo dann auch mal Geschwindigkeiten von über 70 kmh erreicht werden (bei den Profis nochmal deutlich mehr). In diesen Abfahrten habe ich auch mein 11er-Ritzel vermisst, das kleinste an meiner Scheibe war ein 12er. Auch mit einem 53er Kettenblatt ist dann irgendwann Schluss, aber so können (beziehungsweise müssen) auch mal ein wenig die Kraftreserven geschont werden, wenn es bergab geht.
Nach und nach formiert sich eine Gruppe um mich, bestehend aus circa 10 Mann, und ab da nimmt dann das Unheil seinen Lauf. Das Regelwerk besagt, dass ein Abstand von 12 Metern zum Vordermann eingehalten werden muss. Mit einer Gruppe dieser Größe auf einem Kurs wie diesem (mit Steigungen, Abfahrten, teilweise engen Straßen, Kurven) wirklich alles andere als einfach, hauptsächlich durch das als Ziehharmonika-Effekt bekannte Phänomen. Hier und da halte ich den Abstand so gut es eben geht ein, ärgere mich stellenweise, dass der Leistungsmesser Werte unter 180 W ausspuckt, manchmal muss ich sogar bremsen um nicht zu dicht aufzufahren, teilweise muss ich ackern um den Vordermann nicht aus den Augen zu verlieren. In jedem Fall mental recht anstrengend, ob auf diese Weise ein physischer Vorteil entsteht, wie wenn man mit konstanter Leistung einen konstanten 12-Meter-Abstand halten kann - sehr fraglich.
Gegen Ende der ersten von 2 Runden à 80 km gelingt es mir dann endlich die Gruppe ein wenig abzuschütteln. Endlich wieder allein! So hätte es gerne weiter gehen könne, irgendwann holen mich die anderen dann aber doch wieder ein, und es geht wieder los mit den alten Problemen. 1-2 Versuche, an der Gruppe vorbeizuziehen starte ich noch, doch alles was es bringt, ist dass ich meine die Oberschenkel zum Glühen bringe. Somit gebe ich mich irgendwann diesem Schicksal hin und hänge mich in die Gruppe. Im falschen Moment fahre ich zu dicht auf und bekomme von einem vorbeifahrenden Racemarshalls die blaue Karte gezeigt. Meine erste Zeitstrafe fürs Windschattenfahren in meinem Leben, ausgerechnet heute, schöne Sch... Schnell vergewissere ich mich, wo die nächste Penalty-Box gelegen ist. Diese liegt kurz vor mir bei Kilometer 168 - 8 Kilometer vorm Ende des Radparts.
Dort darf ich dann meine 5-Strafminuten absitzen, bevor es mit halber Motivation weitergeht. Aber was geht einem während der 5 Minuten durch den Kopf? Wut? Nicht wirklich, die Strafe war ja schon gerechtfertigt, auch wenn andere Athleten ungeschoren davon kommen. Ärger über mich selbst? Auch nicht so recht, hätte ich mich bis zum Ende besser konzentriert, hätte ich die Strafe zwar vermeiden können, aber Fehler passieren. Enttäuschung? Auf jeden Fall, ist es das nun schon gewesen mit dem Kona-Slot? Manch einer mag meinen, die 5 Minuten fühlen sich wie eine Ewigkeit an, dies kann ich nicht bestätigen. Irgendwie dankt einem der Körper ja, dass er mal eine kurze Pause einlegen darf. Als es weitergeht lässt er einen aber dann direkt spüren, wie sehr er es hasst die Arbeitsmuskulatur wieder zur Traktion zu zwingen. Wer schon längere/intensivere Radausfahrten mit Steh- oder Sitzpausen zwischendurch gemacht hat, wird wissen, was ich meine. Ich versuche die Nerven zu behalten, so weiter zu machen wie ursprünglich geplant und erreiche die zweite Wechselzone mit einem Radsplit von über 4:51 h. Nicht ganz das, was ich mir vorgenommen hatte. Abzüglich der 5-Minuten-Penalty wäre ich immer noch etwas hinter dem Zeitplan gewesen, allerdings noch völlig im Rahmen, nun aber geht es mit einem deutlichen Defizit auf die Laufstrecke.

Der zweite Wechsel benötigt keine 2 Minuten, innerhalb des ersten Kilometers gönne ich mir die längst ersehnte Toilettenpause (bereits beim Schwimmen machte sich ein leichter Harndrang bemerkbar und während der 5-Minuten-Penalty durfte ich natürlich nicht). Das tut gut! Die folgenden Kilometer pendeln sich zwischen 4:10-4:20 Minuten ein. Na, es läuft doch! Bei bis zu 40°C in der Sonne lege ich großen Wert auf Verpflegung und Kühlung. Glücklicherweise gibt es 6 Verpflegungs- und Wasserstände pro 10,5-km-Laufrunde, bei der sogar Becher mit Eiswürfeln gereicht werden. Diese wurden dankend angenommen und waren bei der Hitze aber auch bitter nötig. Kurz vor Ende meiner zweiten Laufrunde beendet Sebastian Kienle seine letzte, überrundet mich gewinnt an diesem Tag mit einer absoluten Glanzleistung die Ironman-Europameisterschaft zum dritten Mal. Meine Zwischenzeit bei der Hälfte des Laufens, gute 1:31 h - für diese Bedingungen echt nicht verkehrt! Ich habe bereits einige Plätze gut machen können, allerdings verlassen mich in der dritten Runde die Kräfte. Das Laufen wird zäh, die negativen Gedanken kommen in mir hoch, und wie einige wissen sind die letzten 1-2 Stunden auf der klassischen Triathlondistanz fast reine Kopfsache. Tatsächlich fühlen sich die Beine gar nicht so schlecht an, es wird nur einfach insgesamt sehr schwierig, das Tempo halbwegs aufrecht zu erhalten und somit kapituliere ich mehr oder weniger nach 26 Kilometern und lass mir deutlich mehr Zeit bei der Verpflegungsstation. Ab hier wird bei fast jeder der Verpflegungsstationen gegangen. Ich sage mir, leider viel zu früh, "einfach nur halbwegs gut durchkommen". Kein Bock mehr auf Quälerei, die Hawaii-Qali ist sowieso weg. Die zu erwartende Zielzeit weit über 9 Stunden. Sowas wird in diesem Wettbewerb wohl kaum für die WM-Zulassung reichen! Ich rette noch eine Solala-Marathonzeit von 3:15 h ins Ziel. Gesamtzeit: 9:11:58 h.

Ein paar Stunden nach dem Rennen erfahre ich, dass ich doch immerhin noch 11. meiner Altersklasse werden konnte. In einem unterm Strich doch eher enttäuschenden Rennen eine große Überraschung und ein kleiner Hoffnungsschimmer, denn es gibt für meine Altersklasse 8 Slots. Das heißt, dass lediglich 3 schnellere Athleten auf ihren Startplatz verzichten müssen - nicht unwahrscheinlich! Die Siegerehrung und anschließende Slotvergabe findet am Folgetag ab 12:00 Uhr statt. Ab 13:20 Uhr werden nach und nach die Namen der Bestplatzierten nacheinander in der jeweiligen Altersklasse genannt. Bei Annahme des Kona-Slots muss sich der Athlet sofort bemerkbar machen und erhält die begehrte Startberechtigung für die WM in Hawaii. Andernfalls erhält der nächst platzierte sein Startrecht und so weiter. Gestartet wurde mit den Damen und mit der ältesten vertretenen Altersklasse, danach die Männer von alt nach jung. Somit kam meine Altersklasse fast zum Schluss dran... Langer Rede kurzer Sinn: Der 10. meiner Altersklasse bekommt den letzten Hawaii-Slot. Mein 11. Platz ist nicht genug.

 

Ergebnisliste

Datenaufzeichnung


So ist es halt manchmal im Sport... Aber was soll man tun? Genau - Weitermachen! Und irgendwann einen nächsten Versuch starten, mit Eifer, neuer Trainingsmethodik, ohne Erfolgsgarantie, aber hoffentlich dann eines Tages wieder mit Zuversicht. Das wichtigste zum Schluss: Danke an Sebastian für seine Gastfreundschaft, danke an Christina, Jannis und Simon fürs Anfeuern, danke an Tante Gisela fürs gesellige Essen!

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